Arbeitsschutz Berufsbedingte Hauterkrankungen: Heute schon eingecremt?
Interview mit BGHM-Hautschutzexpertin Dr. Birgit Pieper zum Thema Hautschutz bei der Arbeit und mögliche Folgen, wenn der Schutz fehlt
Die Akzeptanz für Hautschutz und -pflege könnte bei Tätigkeiten in holz- und metallverarbeitenden Betrieben noch erhöht werden. Beispielsweise sind gerade bei Arbeiten mit nur schwacher hautschädigender Wirkung Hauterkrankungen keine Seltenheit. Was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dagegen unternehmen und wie sie ihre Haut umfassend schützen können – darüber gibt Birgit Pieper, Hautschutzexpertin der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Auskunft.
DHZ: Frau Pieper, wie begründet sich die hohe Anzahl berufsbedingter Hauterkrankungen?
Birgit Pieper: Die Gründe sind zwar vielfältig, aber ein Hauptfaktor ist, dass sich schädliche Auswirkungen auf die Haut erst nach Jahren zeigen. Schwach hautschädigende Stoffe werden von den betroffenen Personen beispielsweise oft als "harmlos" empfunden, denn sie verursachen bei einem Hautkontakt keine unmittelbar spür- oder sichtbaren Hautveränderungen. Über längere Zeit führen derartige Hautkontakte jedoch zu einer Art Abnutzung der Haut. Später können daraus chronische und mitunter irreversible Hauterkrankungen hervorgehen. Neben diesem fehlenden Gefahrenbewusstsein bezüglich der langfristigen Auswirkungen, werden immer wieder ungeeignete persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen: Beschäftigte wenden beispielsweise Hautschutzmittel an, obwohl Schutzhandschuhe zu tragen wären. Ein weiterer Faktor: die Haut wird nach der
Arbeit zu aggressiv gereinigt und dann nicht oder zu wenig gepflegt. Auch das begünstigt langfristig Hautkrankheiten.
DHZ: Was sind das für langfristige Auswirkungen?
Pieper: Unsere Haut kann aufgrund ihrer Schutzfunktion bis zu einem gewissen Grad schädigende Einflüsse abwehren und sich regenerieren. Allerdings variiert das von Mensch zu Mensch und hängt von Vorerkrankungen, genetischen Faktoren, vom Alter sowie von der Art, Dauer und Häufigkeit der Schädigung ab. Wenn die Haut wiederkehrend gereizt wird, können Hautrötungen, -trockenheit, -rissigkeit sowie vermehrter Juckreiz auftreten. Bei wiederholten Schädigungen kann daraus ein irritatives Ekzem entstehen. Dann ist die Hautbarriere so stark geschwächt, dass Fremdstoffe mühelos über die Haut in den Körper eindringen können. Eine sich daraus entwickelnde Sensibilisierung, kann ein allergisches Kontaktekzem zur Folge haben, das lebenslang bestehen bleibt. Was dabei oft außer Acht gelassen wird: neben den rein körperlichen Beeinträchtigungen können sich Hauterkrankungen auch noch psychisch auswirken. Bei sichtbar kranker Haut fühlen sich Betroffene oft unsicher oder unwohl. Sind die Erkrankungen besonders schwer, können sie auch als Stigma empfunden werden und führen mitunter zum Rückzug aus dem sozialen Leben. Beherzigt man aber die geeigneten Präventionsmaßnahmen im Betriebsalltag konsequent, kann das vermieden werden.
DHZ: Können Sie diese Präventionsmaßnahmen näher erläutern?
Pieper: Grundlegend gilt das Minimierungsgebot: Die Exposition der Beschäftigten gegenüber
hautgefährdenden Stoffen soll so gering wie möglich ausfallen – im Idealfall kommt
es zu keinem Hautkontakt. Dazu müssen Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip in der
Reihenfolge Substitution, technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen
getroffen werden. Substitution ist natürlich die beste Lösung: der hautgefährdende
Stoff wird entweder durch einen weniger hautgefährdenden Stoff oder noch besser durch
ein Verfahren ohne Hautkontakt ersetzt. Das begrenzt die Hautgefährdung sehr effektiv.
Eine technische Schutzmaßnahme wäre beispielsweise der Umbau einer Maschine, die Beschäftigte
durch Kapselung oder Spritzschutzeinrichtung vor dem Kontakt mit Arbeitsstoffen schützt.
Verbleibende Gefährdungen können durch organisatorische Maßnahmen minimiert werden.
Dazu zählen beispielsweise die Optimierung der Arbeitshygiene, das Erstellen von Betriebsanweisungen
mit Maßnahmen zur
Hautprävention und die Unterweisung der Beschäftigten zur Vermeidung von Hautgefährdungen
bei ihren Tätigkeiten. Bestehen danach noch Restrisiken, kommen persönliche Schutzmaßnahmen
zum Einsatz.
DHZ: Welche sind das?
Pieper: Dazu gehört das Tragen von Schutzhandschuhen und die Anwendung geeigneter Hautmittel. Das sind sowohl spezifische Hautschutzmittel, die vor der Arbeit anzuwenden sind, als auch möglichst schonende Hautreinigungs- sowie Hautpflegemittel, die nach der Arbeit genutzt werden sollten.
DHZ: Gibt es bei der Auswahl persönlicher Schutzmaßnahmen etwas zu beachten?
Pieper: Basierend auf der Gefährdungsbeurteilung ist bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen
der gesamte Arbeitsprozess zu berücksichtigen. Neben chemischen Gefährdungen, kommen
meist auch physikalische und biologische hinzu. Ebenso müssen subjektive Kriterien
einbezogen werden, wie beispielsweise bestehende Allergien, spezielle Anforderungen
an die Passform von Handschuhen oder arbeitstechnisch bedingte Notwendigkeiten wie
Feingefühl oder Griffigkeit. Schutzhandschuhe haben immer Vorrang vor Hautschutzmitteln.
Nur in Einzelfällen, wenn keine Schutzhandschuhe getragen werden können oder dürfen
– beispielsweise, weil sie in eine Maschine eingezogen werden könnten – sind Hautschutzmittel
eine Alternative. Dies ist unter anderem bei der sogenannten Feuchtarbeit der Fall
– also Arbeiten mit Hautkontakt zu Wasser, wässrigen Reinigungslösungen oder Kühlschmierstoffen
im Anwendungszustand. Die hierfür geeigneten Hautschutzmittel werden von Herstellern
häufig allgemein mit "Schutz
vor wasserlöslichen Stoffen" betitelt. Generell sollte bei der Wahl von Hautschutzmitteln
darauf geachtet werden, dass ein spezifischer Wirksamkeitsnachweis gegenüber den verwendeten
Arbeitsstoffen vorliegt. Unabhängig davon, ob Schutzhandschuhe oder Hautschutzmittel
zum Einsatz kommen, spielt die Hautpflege nach der Arbeit eine wesentliche Rolle zur
Förderung der Eigenschutzfunktionen und damit der Gesunderhaltung der Haut.
DHZ: Können Sie noch einen Tipp geben, wie das Thema Hautschutz im Betrieb am besten angesprochen werden kann?
Pieper: Unabhängig von der Betriebsgröße spielt die persönliche Unterweisung eine zentrale
Rolle, weil die häufigsten Auslöser von beruflich bedingten Hauterkrankungen in der
Praxis oft bagatellisiert werden. Steht die jährliche Gefährdungsbeurteilung an, bietet
das eine gute Gelegenheit, im persönlichen Gespräch die relevanten Informationen zu
vermitteln. Das erweist sich immer wieder als sehr nachhaltig – aber eben nur, wenn
man regelmäßig unterweist. Unterstützend empfiehlt es sich, einen tätigkeitsbezogenen
Hand- und Hautschutzplan zu erstellen, in dem alle die für den Arbeitsplatz erforderlichen
geeigneten Schutzmaßnahmen übersichtlich dargestellt sind. Neben der Angabe
von Schutzprodukten sollten darin klare und leicht verständliche Anwendungshinweise
formuliert sein. Ebenso haben sich innerbetriebliche Ansprechpartner für Fragen zum
Thema Hautgefährdungen bewährt. Weitere Informationen gibt es hierzu auf www.bghm.de.